Bullshit | Decision 2776618

WIDERSPRUCH Nr. B 2 776 618

Joh. Wilh. von Eicken GmbH, Drechslerstr. 1-3, 23556 Lübeck, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Oliver Nils Wrede, Drechslerstr. 1-3, 23556 Lübeck, Deutschland (angestellter Vertreter)

g e g e n

Ujjaldip Randhawa, Bierkamp 18, 44225 Dortmund, Deutschland (Anmelder), vertreten durch Steffen Majoyeogbe, Heiliger Weg 67-69, 44141 Dortmund, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 01.08.2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 776 618 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

2.        Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 626 741 ein. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 10 091 973. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV und Artikel 8 Absatz 5 UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 34:         Tabak, verarbeitet und unverarbeitet; Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigarren, Zigaretten, Zigarillos, Rauchtabak, Schnupftabak, Wasserpfeifentabak; Zigarettenpapier; Zigarettenhülsen; Zigarettenfilter, Streichhölzer; Raucherartikel, soweit in Klasse 34 enthalten.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Klasse 34:         Raucherartikel; Tabak und Tabakwaren, einschließlich Tabakersatzstoffe.

Eine Auslegung des Wortlautes des Warenverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren zu bestimmen.

Aus der Verwendung der Wörter „insbesondere“ und „einschließlich“ im Warenverzeichnis beider Parteien ist ersichtlich, dass die genannten Waren Dienstleistungen lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (siehe Urteil vom 09/04/2003, T-224/01, Nu-Tride, EU:T:2003:107).

Raucherartikel; Tabak sind identisch in beiden Warenverzeichnissen enthalten (einschließlich Synonyme).

Die angefochtenen Waren Tabakwaren, einschließlich Tabakersatzstoffe sind identisch zu den Waren Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigarren, Zigaretten, Zigarillos, Rauchtabak, Schnupftabak, Wasserpfeifentabak; Zigarettenpapierder Widersprechenden, da sie Synonyme sind.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch befundenen Waren an das breite Publikum. Obwohl Tabakerzeugnisse verhältnismäßig billige Massenkonsumgüter sind, wird bei Rauchern davon ausgegangen, dass sie besonders sorgfältig und wählerisch sind, was die Marke der Zigaretten, die sie rauchen, betrifft; daher wird bei Tabakerzeugnissen ein hoher Grad an Markentreue und Aufmerksamkeit angenommen. Deshalb kann bei Tabakerzeugnissen ein höherer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen erforderlich sein, um von Verwechslungsgefahr auszugehen. Dies ist durch mehrere Entscheidungen der Beschwerdekammer bestätigt worden (z. B. in der Entscheidung vom 26/02/2010, R 1562/2008-2, victory Slims (Bildmarke) / VICTORIA et al., in der festgestellt wurde, dass die Verbraucher von Waren der Klasse 34 im Allgemeinen sehr aufmerksam und markentreu sind, sowie in der Entscheidung vom 25/04/2006, R 61/2005-2, GRANDUCATO / DUCADOS et al.

  1. Die Zeichen

Bullbrand

Bullshit

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist die Europäische Union. 

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Das Element „BRAND” der älteren Marke wird vom englischsprachigen Publikum mit einer Schutzmarke assoziiert. Es ist für Waren und Dienstleistungen ohne Unterscheidungskraft, da es einer Marke keine Unterscheidungskraft verleiht, wenn der Begriff „Marke“ angefügt wird. Des Weiteren werden die englischsprachigen Verbraucher auch den Begriff „bull“ als Stier/Bullen und die angefochtene Marke in ihrer Gesamtheit als „Unsinn/etwas Dummes“ verstehen. Diese Wörter haben keine Bedeutung im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren und sind somit voll unterscheidungskräftig. Mit der Bedeutung „Unsinn/etwas Dummes“ ist das angefochtene Zeichen auch mindestens in der deutschen Sprache verständlich. Die nicht englischsprachigen Verbraucher haben keine Veranlassung, die ältere Marke künstlich aufzuteilen, da höchstens nur ein Bestandteil eine Bedeutung hat (zum Beispiel im Deutschen das zweite Wort Brand als Feuer), der erste Bestandteil wird vom deutschen Publikum nicht als Stier verstanden werden, da die korrekte grammatikalische Konstruktion Bullenbrand lauten würde.

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf die ersten vier Buchstaben „Bull*“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf den jeweils zweiten Bestandteil im jeweiligen Zeichen, nämlich „brand“ bzw. „shit“.

Die Zeichen sind daher durchschnittlich ähnlich.

In klanglicher Hinsicht, unabhängig von den unterschiedlichen Ausspracheregeln in verschiedenen Teilen des maßgeblichen Gebiets, stimmt die Aussprache der Zeichen in der Silbe „Bull“ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet sich in der jeweils zweiten Silbe im jeweiligen Zeichen (Brand/Shit).

Die Zeichen sind daher durchschnittlich ähnlich.

Für einen Teil der nicht englischsprachigen Verbraucher, wie zum Beispiel die spanischsprachigen Verbraucher, hat keines der Zeichen eine Bedeutung. Somit gilt für diesen Teil, dass der begriffliche Vergleich den Zeichenvergleich nicht beeinflusst.

Ein Teil der nicht englischsprachigen Verbraucher wird nur das angefochtene Zeichen mit einer Bedeutung versehen (zum Beispiel die deutschsprachigen Verbraucher). Da eines der Zeichen für z.B. die deutschsprachigen Verbraucher keine Bedeutung hat, sind die Zeichen begrifflich nicht ähnlich.

Für die englischsprachigen Verbraucher gelten die oben aufgeführten Grundsätze; da die Zeichen mit unterschiedlichen Bedeutungen assoziiert werden (Bullen Schutzmarke vs. Blödsinn), sind sie begrifflich nicht ähnlich für die englischsprachigen Verbraucher.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte geltend, dass die ältere Marke sich durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft auszeichnet, reichte jedoch keine Belege zum Beweis dieses Vorbringens ein.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich trotz der Präsenz eines nicht kennzeichnungskräftigen Elementes für die englischsprachigen Verbraucher in der Marke, wie oben unter Punkt c) der Entscheidung ausgeführt, als normal anzusehen. Für die nicht-englischsprachigen Verbraucher ist die ältere Marke per se normal unterscheidungskräftig.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Die sich gegenüberstehenden Waren sind identisch. Der Aufmerksamkeitsgrad gilt bei Tabakwaren als hoch. Für die englischsprachigen und mindestens auch deutschsprachigen Verbraucher sind die Zeichen begrifflich nicht ähnlich, da die angefochtene Marke eine klare Bedeutung hat. Für diese Verbraucher besteht selbst bei durchschnittlicher bildlicher und klanglicher Ähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Aber selbst für Verbraucher, für die die Zeichen keinerlei Bedeutung haben, wie zum Beispiel die spanischsprachigen Verbraucher, besteht keine Verwechslungsgefahr, da die Zeichen nur in den ersten vier Buchstaben übereinstimmen, sich aber in den nächsten vier bzw. fünf Buchstaben unterscheiden (Brand/Shit). Zudem sind die erhöhte Aufmerksamkeit bei Tabakwaren und die hohe Markentreue zu berücksichtigen. Es kann daher auch für die Verbraucher, die keinerlei Bedeutung in den Zeichen erkennen, sicher Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte, besteht seitens der Öffentlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Daher muss der Widerspruch zurückgewiesen werden.

BEKANNTHEIT – ARTIKEL 8 ABSATZ 5 UMV

Gemäß Artikel 8 Absatz 5 UMV ist auf Widerspruch der Inhaberin einer eingetragenen älteren Marke im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 UMV die angefochtene Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist, ungeachtet dessen, ob die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, mit denen identisch oder denen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die eine ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Unionsmarke um eine in der Union bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Gemäß Artikel 76 Absatz 1 UMV ermittelt das Amt in dem Verfahren vor dem Amt den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.

Das Amt kann daher mutmaßliche Rechte, für die die Widersprechende keine geeigneten Beweismittel einreicht, nicht berücksichtigen.

Gemäß Regel 19 Absatz 1 UMDV gibt das Amt der Widersprechenden Gelegenheit, die Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen zur Stützung ihres Widerspruchs vorzubringen oder Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen zu ergänzen, die bereits zusammen mit der Widerspruchsschrift vorgelegt wurden; dazu setzt das Amt eine Frist fest.

Gemäß Regel 19 Absatz 2 Buchstabe c UMDV muss die Widersprechende, wenn der Widerspruch auf einer Marke beruht, die im Sinne des Artikels 8 Absatz 5 UMV bekannt ist, unter anderem den Nachweis erbringen, dass diese Marke bekannt ist; ferner sind Beweismittel oder Bemerkungen vorzubringen, dass die Benutzung der angefochtene Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Im vorliegenden Fall waren der Widerspruchsschrift keine Beweismittel für die angebliche Bekanntheit der älteren Marke beigefügt.

Am 24.10.2016 wurde der Widersprechenden für die Einreichung der vorgenannten Unterlagen eine Frist von zwei Monaten nach Ablauf der „Cooling-off“-Frist eingeräumt. Diese Frist lief am 28.02.2017 ab.

Die Widersprechende reichte keine Beweismittel für die Bekanntheit der Marke ein, auf der der Widerspruch beruht.

Da eine der in Artikel 8 Absatz 5 UMV genannten notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt ist, ist der Widerspruch, soweit er diesen Grund betrifft, als unbegründet zurückzuweisen.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle dem Anmelder in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die dem Anmelder zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Tobias KLEE

Lars HELBERT

Sigrid DICKMANNS

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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