HIRSCH | Decision 2453531

WIDERSPRUCH Nr. B 2 453 531

Dietmar Herbert Ferdinand Kirsch, Neuer Jungfernstieg 8, 20354 Hamburg, Deutschland (Widersprechender), vertreten durch Uexküll & Stolberg Partnerschaft von Patent- und Rechtsanwälten mbB, Beselerstr. 4, 22607 Hamburg, Deutschland (zugelassener Vertreter)

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Nile Clothing AG, Hauptstr. 33, 2572 Sutz, Schweiz (Inhaberin), vertreten durch Boehmert & Boehmert Anwaltspartnerschaft mbB - Patentanwälte Rechtsanwälte, Hollerallee 32, 28209 Bremen, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 26/04/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 453 531 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

2.        Der Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Der Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der die Europäische Union benennenden internationalen Registrierung Nr. 1 196 899 ein. Der Widerspruch beruht auf der deutschen Markeneintragung Nr. 942 035. Der Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 18 und 25: Bekleidungsstücke, einschließlich Stiefel, Schuhe, Hausschuhe und Sportschuhe, insbesondere Freizeitbekleidungsstücke und Sportbekleidungsstücke, Bade- und Strandanzüge, Hemden, Strümpfe, Unterwäsche; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Taschen und Beutel aus Leder und Lederimitationen und gegebenenfalls in Verbindung mit Textilmaterial.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Klasse 25: Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; alle vorgenannten Waren nicht aus Hirschleder, Hirschhaut oder anderen Hirschteilen hergestellt, nicht mit Hirschmustern verziert.

Eine Auslegung des Wortlautes des Warenverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren zu bestimmen.

Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ und „einschließlich“ im Warenverzeichnis des Widersprechenden ist ersichtlich, dass die genannten Waren und Dienstleistungen lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (siehe Urteil vom 09/04/2003, T-224/01, Nu-Tride, EU:T:2003:107).

Einige der angefochtenen Waren sind mit den Waren identisch, auf denen der Widerspruch beruht. Aus Gründen der Verfahrensökonomie nimmt die Widerspruchsabteilung keinen vollständigen Vergleich der oben aufgeführten Waren vor. Die Prüfung des Widerspruchs erfolgt, als ob alle angefochtenen Waren zu denjenigen der älteren Marke identisch sind.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch angenommenen Waren an das breite Publikum. Der Aufmerksamkeitsgrad gilt als durchschnittlich.

  1. Die Zeichen

 

HIRSCH

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Deutschland.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Die ältere Marke ist eine Bildmarke, die aus einem blau-gelben Etikett besteht. In diesem Etikett ist in gelben Großbuchstaben in Standardschrift das Wort „KIRSCH“ abgebildet. Darüber in gelben Buchstaben „Herrenausstatter“ und „Est. 1972“; darunter auch in gelben kleineren Großbuchstaben „2 Hamburg 20 Hoheluftchaussee 2 Telefon 47 4552“.

Das Element „KIRSCH“ der älteren Marke wird vom relevanten Publikum als Kirschwasser oder als deutscher Nachname verstanden, hat keinerlei Bedeutung für die Waren des Widersprechenden und ist somit voll kennzeichnungskräftig.

Das Element „Hirsch“ der angefochtenen Marke wird vom relevanten Publikum als ein ebensolcher verstanden. Im Deutschen ist der Begriff Hirschleder bekannt, zudem erscheint das Wort hirschledern (aus Hirschleder bestehend) im DUDEN; die Bedeutung des Wortes im Hinblick auf Lederwaren ist somit klar. Die Waren der angefochtenen Marke sind zwar dahingehend eingeschränkt worden, dass sie Waren aus Hirschleder ausschließen, allerdings ist das Zeichen im Hinblick auf Waren aus Leder als täuschend anzusehen und ist somit nicht unterscheidungskräftig für Waren, die Leder enthalten können. Das Wort „Hirsch“ wird im Deutschen auch als Nachname verwendet.

Das Element „Herrenausstatter“ der älteren Marke wird vom relevanten Publikum als ein ebensolcher verstanden. Da es für die relevanten Waren beschreibend ist, ist dieser Bestandteil ohne Unterscheidungskraft.

Das Element „Est. 1975“ des älteren Zeichens wird mit dem Gründungsjahr des Geschäftsbetriebs des Widersprechenden assoziiert und ist ohne Unterscheidungskraft. Dies liegt daran, dass die englische Abkürzung Est. (Established = Gegründet) im deutschen Geschäftsverkehr auch häufig verwendet wird; zudem ist es auch im Wörterbuch der Abkürzungen des DUDEN anzutreffen.

Das ältere Zeichen besteht aus einem kennzeichnungskräftigen Wortelement „KIRSCH“ und weniger kennzeichnungskräftigen Bildelementen rein dekorativer Natur sowie einer Geschäftsadresse und einer Telefonnummer in Hamburg. Das Wortelement ist daher kennzeichnungskräftiger als die Bildelemente und die Adressdaten.

Das Element „KIRSCH“ im älteren Zeichen ist das dominante Element, da es am stärksten ins Auge springt.

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf „*IRSCH“ überein und unterscheiden sich in ihrem Rest, besonders in den unterschiedlichen Anfangsbuchstaben „K/H“ und den weiteren Wort- und Bildelementen in der älteren Marke.

Die Zeichen sind daher kaum ähnlich.

In klanglicher Hinsicht stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben „*IRSCH“ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet sich im Klang der Buchstaben „K“ gegenüber „H“ am Anfang des jeweiligen Wortes. Die weiteren Worte der älteren Marke werden zwar möglicherweise ausgesprochen, sie sind aber nicht unterscheidungskräftig und spielen keine weitere Rolle im Zeichenvergleich.

Die Zeichen sind daher stark ähnlich.

Begrifflich wird auf die zuvor getroffenen Erwägungen bezüglich des semantischen, von den Marken vermittelten Inhalts verwiesen. Die ältere Marke wird als Nachname Kirsch oder als Kirschwasser verstanden, während die angefochtene Marke als Hirsch oder als Nachname Hirsch verstanden wird. Nur weil beide als deutsche Nachnamen verstanden werden könnten, reicht dies nicht zur Findung einer begrifflichen Ähnlichkeit zwischen den Zeichen. Da die Zeichen als unähnlich wahrgenommen werden, sind sie begrifflich nicht ähnlich.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Der Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass seine Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich trotz der Präsenz eines oder mehrerer nicht kennzeichnungskräftiger Elemente in der Marke, wie oben unter Punkt c) der Entscheidung ausgeführt, als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Die Waren gelten als identisch. Der Aufmerksamkeitsgrad gilt als durchschnittlich.

Da die Zeichen begrifflich unterschiedlich aufgefasst werden, einmal als Kirschwasser und einmal als Hirsch, oder einmal als Nachname Hirsch und einmal als Nachname Kirsch, kann Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen sicher ausgeschlossen werden. Der deutschsprechende Verbraucher wird in seinem Leben begrifflich Kirsch und Hirsch nicht verwechseln, selbst wenn die Verbraucher diese Begriffe nur als Nachnamen auffassen werden, selbst diese Nachnamen haben im Deutschen noch eine Bedeutung, wie auch Müller, Schneider etc.

In Bekleidungsgeschäften können die Kunden im Allgemeinen die Bekleidung, die sie kaufen wollen, selbst auswählen oder werden dabei vom Verkaufspersonal unterstützt. Mündliche Bezugnahmen auf das Produkt und die Marke sind zwar nicht ausgeschlossen, die Wahl des Kleidungsstücks erfolgt aber im Allgemeinen visuell. Daher erfolgt die visuelle Wahrnehmung der betroffenen Marken im Allgemeinen vor dem Kauf. Dementsprechend spielt der visuelle Aspekt bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine größere Rolle (06/10/2004, T-117/03 - T-119/03 & T-171/03, NL, EU:T:2004:293, § 50). Daher sind die durch die zusätzlichen Wort und Bildelemente der Zeichen verursachten beträchtlichen visuellen Unterschiede zwischen den Zeichen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die zwischen den Marken besteht, besonders relevant.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte, und selbst unter der Annahme, dass die Waren identisch wären, besteht seitens der Öffentlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Daher muss der Widerspruch zurückgewiesen werden.

Da der Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 1 UMV nicht begründet ist, muss der von dem Widersprechenden vorgelegte Benutzungsnachweis nicht untersucht werden.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da der Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt er alle der Inhaberin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Inhaberin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Renata COTTRELL

Lars HELBERT

Sigrid DICKMANNS

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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