Polysil-Austria | Decision 2786484

WIDERSPRUCH Nr. B 2 786 484

Advanced Adhesive Coatings Technology AG, Flughofstrasse 52, 8152 Glattbrugg, Schweiz (Widersprechende), vertreten durch Schultheiss & Sterzel Patentanwälte PartG mbB, Berner Strasse 52, 60437 Frankfurt, Deutschland (zugelassener Vertreter)

g e g e n

Mario Kartnaller, Wildschönauerstr. 41a, 6300 Wörgl, Österreich (Anmelder), vertreten durch Christoph Friedrich Jahn, Rothenburg 41, 48143 Münster, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 15/09/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 786 484 wird für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen stattgegeben.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 553 449 wird in ihrer Gesamtheit zurückgewiesen.

3.        Der Anmelder trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 553 449 für die Bildmarke http://prodfnaefi:8071/FileNetImageFacade/viewimage?imageId=128411302&key=298a6e610a8408034f25445a2c75ad9cein. Der Widerspruch beruht, unter anderem, auf der österreichischen Markeneintragung Nr. 289 054 für die Wortmarke „POLYSIL“. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe  b UMV

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

Der Widerspruch beruht auf mehr als einer älteren Marke. Aus Gründen der Verfahrensökonomie prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zuerst in Bezug auf die österreichische Markeneintragung Nr. 289 054 der Widersprechenden.

  1. Die Waren und Dienstleistungen

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse 1         Kunststoffklebstoffe (ausgenommen für Büro- oder Haushaltszwecke). 

Klasse 2         Grundierungsmittel für Kunststoffe (Lacke und Farben); Lacke zur Beschichtung von Kunststoffen; Lacke zur Beschichtung von Kunststoff-Anbauteilen von Kraftfahrzeugen; Verdünnungsmittel für Lacke.

Klasse 37         Lackierarbeiten zum Lackieren von Kunststoffen; Lackierarbeiten zum Lackieren von Kunststoff-Anbauteilen von Kraftfahrzeugen; Lackierarbeiten an Fahrzeugen; Aufbringen von Anstrichen an Fahrzeugen. 

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse 2         Lacke; Grundierungsmittel [Anstrichfarben]; Grundierungen [Lacke und Farben]. 

Klasse 35         Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels auch über das Internet in den Bereichen: Lacke, Grundierungsmittel [Anstrichfarben], Grundierungen [Lacke und Farben].  

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Angefochtene Waren in Klasse 2

Die angefochtenen Lacke enthalten als weiter gefasste Kategorie die Lacke zur Beschichtung von Kunststoffen der Widersprechenden. Da die Widerspruchsabteilung die weit gefasste Kategorie der angefochtenen Waren nicht von Amts wegen aufgliedern kann, gelten sie als identisch zu den Waren der Widersprechenden.

Die angefochtenen Grundierungsmittel [Anstrichfarben]; Grundierungen [Lacke und Farben] überschneiden sich mit den Grundierungsmittel für Kunststoffe (Lacke und Farben) der Widersprechenden. Deshalb sind sie identisch.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 35

Handelsdienstleistungen bezüglich des Verkaufs spezifischer Waren weisen eine geringe Ähnlichkeit zu diesen spezifischen Waren auf. Obgleich die Art, der Zweck und die Verwendungsmethode dieser Waren und Dienstleistungen nicht übereinstimmen, haben sie einige Ähnlichkeiten, da sie sich ergänzen und die Dienstleistungen in der Regel an den gleichen Orten angeboten werden, an denen auch die Waren zum Verkauf angeboten werden. Des Weiteren sprechen sie dieselben Zielgruppen an.

Folglich haben die angefochtenen Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels auch über das Internet in den Bereichen: Lacke, Grundierungsmittel [Anstrichfarben], Grundierungen [Lacke und Farben] eine geringe Ähnlichkeit mit den Lacke zur Beschichtung von Kunststoffen; Grundierungsmittel für Kunststoffe (Lacke und Farben) der Widersprechenden.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch oder gering ähnlich befundenen Waren und Dienstleistungen an das breite Publikum sowie an Geschäftskunden mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen.

Der Aufmerksamkeitsgrad des Publikums wird, je nach Preis und Spezifizität der Waren und Dienstleistungen, durchschnittlich bis erhöht sein; ein Lackierer, der z.B. Grundierungen oder Lacke zur Verwendung im Geschäftsbetrieb erwirbt, wird auf deren spezifische Eigenschaften besonders achten und den Waren und Dienstleistungen daher mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen.

  1. Die Zeichen

POLYSIL

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Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Österreich.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Die ältere Marke ist eine Wortmarke. Der Schutz, der sich aus der Eintragung einer Wortmarke ergibt, erstreckt sich auf das in der Anmeldung angegebene Wort und nicht auf die besonderen grafischen oder gestalterischen Aspekte, die diese Marke möglicherweise annehmen kann. Es ist für den Zeichenvergleich daher irrelevant, ob Wortmarken in Klein- oder Großbuchstaben dargestellt werden.

Das Wortelement POLYSIL beider Marken hat für das relevante Publikum keine Bedeutung und ist somit kennzeichnungskräftig. Für die Behauptung des Anmelders, der Verkehr werde das Wort als eine Verschmelzung von Wortbestandteilen aus „Polymer“ und „Silikat“ auffassen, was geeignet sein soll auf die Wirkweise der Waren hinzuweisen, liegen weder Anhaltspunkte noch Nachweise vor.  

Das Element „Austria“ des angefochtenen Zeichens ist das allgemein bekannte englische Wort für Österreich und wird vom relevanten Publikum auch so verstanden. Es wird vom Verkehr als Angabe der geographischen Herkunft der Waren und Dienstleistungen verstanden und ist daher nicht unterscheidungskräftig.

Der Bindestrich zwischen den Wörtern Polysil und Austria ist ein übliches typographisches Zeichen und als solches ohne Unterscheidungskraft.

Die Farbgebung des Schriftzuges der angefochtenen Marke ist rein dekorativ und daher nicht unterscheidungskräftig. Das Bildelement, eine graue Weltkugel mit zwei umlaufenden Pfeilen, ist ebenfalls nicht unterscheidungskräftig. Der Verkehr versteht dieses Element lediglich als Hinweis darauf, dass die Waren und Dienstleistungen rund um die Welt angeboten bzw. erbracht werden.

Das angefochtene Zeichen besteht damit aus einem kennzeichnungskräftigen Wortelement (Polysil), einem nicht kennzeichnungskräftigen Wortelement (Austria) und nicht kennzeichnungskräftigen Bildelementen, wie zuvor beschrieben.

Das angefochtene Zeichen weist kein Element auf, das als dominanter (stärker ins Auge springend) als andere Elemente gelten könnte.

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf das kennzeichnungskräftige Wortelement POLYSIL im Zeichenanfang überein. Sie unterscheiden sich in den weiteren nicht unterscheidungskräftigen Elementen des angefochtenen Zeichens, wie oben beschrieben.

Die Zeichen sind daher stark ähnlich.

In klanglicher Hinsicht stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben POLYSIL überein.  Die Aussprache unterscheidet sich im Klang der Buchstaben AUSTRIA der angefochtenen Marke, für die es in der älteren Marke keine Entsprechung gibt. Dieses Element ist jedoch nicht kennzeichnungskräftig. Die Bildelemente des angefochtenen Zeichens haben keinen Einfluss auf den klanglichen Vergleich.

Die Zeichen sind daher stark ähnlich.

Begrifflich hat keines der Zeichen in seiner Gesamtheit eine Bedeutung. Obwohl das Wort „Austria“ sowie die Darstellung einer Weltkugel des angefochtenen Zeichens jeweils mit einer Bedeutung in Verbindung gebracht werden, sind diese nicht kennzeichnungskräftig und können nicht auf die betriebliche Herkunft der Marke hinweisen. Die Aufmerksamkeit des relevanten Publikums wird von dem Wortelement POLYSIL angezogen, das keine Bedeutung hat. Somit beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren und Dienstleistungen. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn der Verbraucher direkt die einander gegenüberstehenden Marken verwechselt oder wenn der Verbraucher eine Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen zieht und annimmt, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen vom gleichen Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

Im vorliegenden Fall besteht, auch hinsichtlich der nur gering ähnlichen Dienstleistungen, Verwechslungsgefahr, weil die Unterschiede zwischen den Zeichen auf nicht kennzeichnungskräftige oder sekundäre Elemente und Aspekte beschränkt sind, wie oben unter Abschnitt c) dieser Entscheidung ausgeführt.

Aufgrund der Übereinstimmung in dem kennzeichnungskräftigen Element POLYSIL wird der Verkehr annehmen, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen von demselben Unternehmen stammen, selbst wenn er eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legt.

Im Gegensatz zur Auffassung des Anmelders reichen die Abstände zwischen den Zeichen nicht aus, damit diese sicher auseinandergehalten werden können. Sie werden damit denselben bzw. wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen zugeordnet werden.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte besteht beim Publikum Verwechslungsgefahr. Daher ist der Widerspruch auf der Grundlage der österreichischen  Markeneintragung Nr. 289 054  der Widersprechenden begründet. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen werden muss.

Da die ältere österreichische Markeneintragung Nr. 289 054 für sämtliche  Waren und Dienstleistungen, gegen die sich der Widerspruch richtet, die Stattgabe des Widerspruchs und die Ablehnung der angefochtenen Marke begründet, erübrigt sich eine Prüfung der sonstigen älteren Rechte, die die Widersprechende geltend macht (vgl. 16/09/2004, T-342/02, Moser Grupo Media, S.L., EU:T:2004:268).

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da der Anmelder die unterliegende Partei ist, trägt er die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Peter QUAY

Tobias KLEE

Martin EBERL

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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